Ein Schweizer an den Wurzeln des US-Blues
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Der Berner "Wale" Liniger,
Blues-Professor in den USA. (Foto: Musig im Dorf) |
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Das amerikanische Parlament hat das laufende Jahr
2003 zum "Jahr des Blues" erklärt.
Eine grosse Chance für den Schweizer Musiker Walter Liniger,
der in den Vereinigten Staaten selbst erfolgreich diesen Musikstil lehrt.
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"Der Blues wurde in einer dunklen und von Gewalt
geprägten Zeit geboren", sagt "Wale" Liniger gegenüber swissinfo.
"Deshalb ist es schon seltsam, dass man so etwas feiern kann. Vielleicht hängt dies
mit Amerika zusammen."
Liniger, in Bern geboren und aufgewachsen, kennt sich aus im Blues. Seit über 20 Jahren
lebt er in den Vereinigten Staaten, wo er an der Universität von South Carolina
Mundharmonika und Blues unterrichtet.
Amerika hat es ihm ermöglicht, aus seiner Passion seinen Beruf zu machen. "Das ist
es, was mir an Amerika so gefällt. In der Schweiz fragen sie dich nach einem
Arbeitszeugnis, bevor sie dir einen Job geben. In Amerika läuft das anders. Hier zählt
das, was du kannst."
In der Schweiz fragen sie dich nach einem Arbeitszeugnis, bevor sie dir einen Job
geben. In Amerika zählt das, was du kannst.
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Walter Liniger,
Musiker |
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Die USA besser kennen lernen
Liniger kam Anfang der achtziger Jahre in die USA. Nach acht
Jahren als Lehrer in Bern suchte er etwas anderes. Er wollte Amerika kennen lernen, wo er
sich schon vorher zu Studienzwecken kurz aufgehalten hatte.
1984 reiste er in den Süden und fand einen Job im Blues-Archiv der
Mississippi-Universität in Oxford. Dort verdiente er zwar nicht viel, doch bereut habe er
diesen Entschluss nie.
Rendezvous mit den Grossen des Genres
In jenen Jahren machte sich Liniger mit den Grossen im Blues
bekannt. Er spielte im Duo mit dem Meister des Delta Blues, James Son Thomas und verkehrte
mit Eugene Powell, Jack Owens, Johnny Woods, Wilbert Lee Reliford und anderen Vertretern
des Mississippi-Blues.
Liniger begann zu recherchieren, traf sich mit vielen Leuten und befragte Dutzende von
Alten, die irgend etwas mit dem Blues zu tun hatten. Dies weniger aus beruflichem
Interesse als aus Spass an der Musik.
"Heute frage ich mich, was ich damals eigentlich suchte. Sicher wollte ich die
Wurzeln des Blues finden. Doch so denken Europäer. Wir sind überzeugt, dass sich immer
eine Quelle finden lässt, die alles erklären kann."
Seit Jahren versucht der Berner, gegen diese Denkweise anzukämpfen "gegen
dieses typisch schweizerische Präzisionsdenken". Er habe viel über sich selbst
gelernt, über seine Stärken und Schwächen. "Das ist im Grunde genommen, was der
Blues sein muss: Der Spiegel seiner selbst. Es hat mich 20 Jahre gekostet, um dies zu
begreifen."
Heute ist das Blues-Publikum nicht mehr schwarz, sondern weiss.
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Walter Liniger,
Musiker |
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Parallelen zur Schweizer Volksmusik
Heute lehrt Liniger an der Universität South Carolina jungen
Amerikanern das Mundharmonikaspiel. Die meisten von ihnen sind Weisse. "Heute ist das
Blues-Publikum nicht mehr schwarz, sondern weiss. Wäre ich ein Schwarzer, hätte ich
schon eine andere Beziehung zum Blues, denn dieser sagt mir ständig, woher ich
komme."
Dasselbe sei auch in der Schweizer Volksmusik der Fall. "Während vielen Jahren
konnte ich sie nicht anhören. Heute spüre ich, dass diese Musik etwas enthält, das mir
sagt, wer ich bin. Viele Schwarze wollen aus den Kategorien von Sklaverei und
Rassentrennung ausbrechen. Deshalb wohl wünschen sie sich eine andere Musik."
Jedes Jahr kommt der Blues-Professor in die Schweiz und gibt Konzerte. Er singt seinen
Blues, gemischt mit alten Schweizer Volksliedern oder mit einem Walzer. "Anfänglich
dachte ich, es sei mein Ziel, mich von meiner helvetischen Seele loszusingen. Mit der Zeit
begriff ich dann, dass es sich um das Gegenteil handelte."
"Ich habe 30 Jahre in der Schweiz gelebt. Das Ziel des Blues liegt nicht im
Vergessen, sondern im Erinnern daran, was positiv für mich ist und mir gut tut.".
Ein ungewöhnliches Projekt
Letzten Oktober war Liniger in Montreux und nahm teil an einem
Seminar von Führungskräften der Post. Zwischen den Sitzungen lehrte er die Post-Manager,
wie man rhythmisch mit der Mundharmonika umgeht. "Ich dachte nicht, dass ich es
schaffen würde. Doch nach zwei Tagen spielten wir alle zusammen 'I love the way you
walk'", sagt Liniger zufrieden.
Der Blues ist in der amerikanischen Musikkultur tief verwurzelt. "Für mich ist das
ein Versuch, Amerika zu begreifen. Es ist ein enormes Land", erklärt Liniger.
"Viele Amerikaner sind allein. Dieses Gefühl der Einsamkeit steht am Ursprung der
amerikanischen Musik, sei es Blues oder Country. Der Blues ist ein Weg, dieser Einsamkeit
zu begegnen."
swissinfo, Anna Luisa Ferro Mäder, Washington
(übertragung aus dem Italienischen: Alexander Küenzle)
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Walter Liniger ist in Bern geboren und aufgewachsen.
Seit über zwanzig Jahren lebt Liniger in den Vereinigten Staaten, wo er an der
Universität von South Carolina Mundharmonika und Blues lehrt.
Er arbeitete mit den Grossen dieses Musik-Genres wie James Son Thomas, Eugene Powell, Jack
Owens, Johnny Woods, Wilbert Lee Reliford.
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